Zuchtbuch
Meine
naturwissenschaftliche Ausbildung einerseits und die Beschäftigung mit bildender Kunst andererseits bilden seit Jahren eine quasi interdisziplinäre Basis für meine Themenauswahl und Methode der
Aufarbeitung.
So hat es mich besonders gefreut, für die Besamungsstation eine Arbeit zu gestalten und damit meinen biologischen Interessen zu folgen.
Die künstliche Besamung markiert den Beginn einer Entwicklung, in der in den natürlichen Vorgang der Fortpflanzung nicht mehr nur durch reine Zuchtauswahl, sondern auch in technischem Sinne
eingegriffen wird.
Doch die Entwicklung geht schon lange darüber hinaus, industrielle Produktionsmethoden greifen immer mehr auf biologische Vorgänge über.
Sei es in der technischen Erzeugung von Mikroorganismen und ihren Stoffwechselprodukten zum Beispiel als Pharmazeutika oder als biologische Massenvernichtungsmittel, sei es im Humanbereich als
DNA-Analyse oder im Screening unerwünschter Abweichungen im Genom, die technische Machbarkeit schafft Tatsachen und die Diskussion über ethische Gesichtspunkte oder mittelfristige
Auswirkungen kommt erst später.
Insofern soll diese serielle, technische Lösung meiner Skulptur durchaus einen kritischen Kommentar zur Diskussion um sich verkleinernde Genpools und biotechnische Maßnahmen wie das Klonen
darstellen und die Betrachter zur Auseinandersetzung mit diesem Thema anregen.
Die 3 Platten erinnern an die losen Seiten eines Buchs und zeigen eine Reihe von identischen Stierumrissen, für die "RUMBA", einer der Stars der Besamungsstation der letzten Jahre, Modell
gestanden ist.
In meiner künstlerischen Arbeit habe ich mich in den letzten Jahren mit der Mittelsteinzeit beschäftigt, ca. 40 000 - 10 000 Jahre vor unserer Zeit, als die Menschen schon genauso waren wie
wir.
Unser Blick zurück, der vorwiegend den Grad an Technikgebrauch als Maßstab für kulturelle Entwicklung nimmt, ist dementsprechend überheblich, andererseits ermöglicht der Nebel der Zeit
idealistisch-archetypische Vorstellungen.
Der Stier war den Menschen später in der Jungsteinzeit bis zur minoischen Kultur ein wichtiges Symbol - einerseits als männliches Prinzip der Fortpflanzung und der Sonne verbunden, andererseits
durch die Mondform der Hörner Ausdruck des weiblichen Zyklus.